OOH-Magazin Ausgabe 4 - 2018

„Nichts ist von der Vorbereitung her zweifel- hafter und von der Durchführung her gefähr- licher als der Wille, sich zum Neuerer auf­ zuschwingen. Denn wer dies tut, hat die Nutznießer des alten Zustandes zu Feinden, während er in den möglichen Nutznießern des neuen Zustands nur lasche Verteidiger hat.“ (Niccolo Machiavelli) Kann man heute eigentlich noch Machiavelli zitieren? In Zeiten, in denen wir alle so koope- rativ sind, nur noch Kollegen und keine Chefs mehr haben, in denen die Krawatten traurig in den Kleiderschränken verkümmern? Kann man, wenn es so treffend formuliert ist. Denn es gibt einige grundsätzliche Aspekte mensch- lichen Handelns, die wir nicht mal eben über Bord werfen können. Dazu gehört der Umgang mit Erneuerung. Hier soll nicht die Rede sein von Veränderung, die in kleinen Schritten daher kommt. Mit der wir uns schon irgendwie anfreunden können. Lassen Sie uns von echter Erneuerung reden. Von dem, was Schumpeter als ‚schöpferische Zerstörung‘ bezeichnet. Zwar benutzt er den Terminus im makroöko- nomischen Kontext, aber wenn wir seiner Idee folgen und in unsere Unternehmensrealität übersetzen, landen wir schnell dort, wo es weh tut. Wo alte Zöpfe abgeschnitten werden und Platz gemacht wird für Neues. Das passiert im großen Stil, wenn Geschäfts- modelle geändert werden, und wird heute gerne als Disruption bezeichnet. Die Abkehr von der klassischen Zigarette ist für Philip Morris eine schöpferische Zerstörung, auf deren Ausgang wir gespannt sein dürfen. Im Kunststoff-Geschäft lagen die Ursprünge von Bayer. Der Verkauf von Covestro als Börsen- gang hat Platz gemacht für Neues – was in Form von Monsanto hohe Chancen und eben- solche Risiken mit sich gebracht hat. Es geht aber auch kleiner, tatsächlich ist Erneuerung nicht zwangsläufig Disruption. Wenn die Firma Zumtobel heute nicht mehr nur Lampen verkauft, sondern ganze Orte beleuchtet, mit WLan versorgt und dafür Gebühren erhebt, kommt das eher leise daher. Disruption, Revolution oder Erneuerung? Den Weg in die Zukunft in großen Schritten bezeichnen wir heute als Transformation. Die- sen zu wählen und konsequent zu verfolgen ist nichts für Feiglinge, wie uns die Verantwort- lichen bei Philip Morris, Bayer oder Zumtobel bestätigen werden. Transformation braucht den Willen zur Erneuerung und damit auch den Mut zu zerstören. Immer mit einer Vor- stellung des Neuen, denn die Alternative zum heutigen Zustand sollte schon zu verwirklichen sein. Nur mit einem Bild von der (besseren) Zukunft wird es dem Erneuerer gelingen, genug Mitstreiter für die Transformation zu gewinnen. Eine erleuchtete Welt war die Vorstellung von Thomas A. Edison und es war ein langer Weg dahin für sein Team. ‚There is a better way to do it, find it!‘ macht klar, wie mühsam es gewe- sen ist, Edisons Vorstellung zu verwirklichen. Neben dem Mut zur Erneuerung und einer Vorstellung vom Ziel braucht es eine Menge Ambition, nicht zu schnell zufrieden zu sein. All dies gilt es zu teilen. Menschen für Erneu- erung zu gewinnen, gemeinsam Wege zu fin- den, sie dabei zu fördern und fordern kann eine Transformation gelingen lassen. Die Men- schen im Unternehmen sind sehr kritisch, wenn mit schönen Reden und Plakaten mal wieder die wunderbare neue Zukunft ausgeru- fen wird. Sie beobachten ihre Leitung genau – und wenn diese nicht absolut gradlinig unter- wegs ist, lehnt man sich zurück und lässt den Zug an sich vorbei ziehen. Bending heißt der inoffizielle Fachausdruck dafür, und dieses Phänomen tötet jede Transformation. Dem entgegen zu wirken braucht den mutigs- ten Schritt überhaupt: den Schritt zur eigenen Veränderung. Wer es ernst meint, muss sich selbst und sein Tun hinterfragen. Wenn das Thema Transformation auf den Tisch kommt, finden sich schnell Ideen, was in anderen Bereichen besser laufen kann. Wie sich Andere verändern müssen. Was alles woanders passie- ren muss. So funktioniert das nicht. Wenn wir echte Transformation wollen, müssen wir mit uns beginnen. Auf der ganz persönlichen Ebene. ‚Was mache ich heute, das nicht in die Zukunft passt? Wie sollte ich mich verhalten? Was hält mich davon ab? Was ist mein Beitrag zur Veränderung? Und wie konsequent bin ich in der Umsetzung?‘ Diese Fragen zu beantwor- ten und sich selbst zu verändern erfordern eine Menge Mut. „Walk the talk“ ist der schwierigste Teil der Transformation. Transformation ist nichts für Feiglinge 21 OOH!–Aspekte Kai Anderson ist Vorstand der Promerit AG und gefragter Experte zum Thema Verände- rung. Er berät und begleitet Unternehmen im Transformationsprozess; dazu hat er eine Reihe von Büchern verfasst und veröffentlicht.

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